pro mente Oberösterreich - Psychosoziale Beratungsstelle Enns - Tagesstruktur Enns


Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Wer kennt es nicht? Das Gefühl der völligen Verzweiflung, der Ohnmacht, das Gefühl alles falsch zu machen. Die Stimmungslage ist danieder, man weiß nicht mehr aus noch ein.

Derartige Gefühle befallen Menschen, welche sich in schweren psychischen Krisen befinden, und wer weiß schon, wie man sich ihnen – oder sich selbst – gegenüber richtig verhält? Viele Menschen reagieren mit Unsicherheit, und aus dieser heraus übergehen sie diese Symptome bei sich oder bei anderen. Aber gerade in diesem Zustand braucht der betroffene Mensch Hilfe, Zuwendung und Unterstützung. Richtige Verhaltensweisen können noch schlimmere Zustände, Chronifizierungen, Krankenhausaufenthalte und Suizide verhindern.

Mit dieser Broschüre wollen wir versuchen, Ihnen einige Anweisungen mitzugeben, welche für den Umgang mit Menschen in akuten seelischen Krisen sehr behilflich sein können. Neben der Leistung von Erster Hilfe in einem körperlichen Notfall ist auch der seelische Notfall ein Geschehen, bei dem Maßnahmen der ersten Hilfestellung ganz entscheidende Weichen stellen können. Nicht das Wegsehen aus Angst vor der falschen Verhaltensweise sondern das aktive Zugehen und Eingehen sind angesagt.

Wir wollen Ihnen einige Hinweise über die Auslöser und Ursachen derartiger Störungen geben und vor allem darüber informieren, wie man ihnen als Laie begegnen kann.

e.h W.HR. Univ.-Doz. Prim. Dr. Werner Schöny
Obmann pro mente Oberösterreich und ärztlicher Leiter der OÖ. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg, Linz.

Wie erkenne ich eine Krise?
von W.HR. Univ.-Doz. Prim. Dr. Werner Schöny, Obmann pro mente Oberösterreich und ärztlicher Leiter der OÖ. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg, Linz
Maria Sommereder, Leiterin Kriseninterventionszentrum pro mente Oberösterreich, Linz

Frau K. schildert: „Zuerst habe ich geglaubt, ich schaffe es alleine: Da war die Scheidung, dann finanzielle Schwierigkeiten, dazu kamen noch meine Arbeit, Haushalt und Kinder – plötzlich wurde mir alles zuviel. Alle diese Belastungen haben sich bei mir in Form einer Krise geäußert, in die ich unbemerkt hineingeraten bin. Mich hat nichts mehr gefreut.“

Ein Todesfall, das plötzliche Bekanntwerden einer schweren Erkrankung, ein Verkehrsunfall oder Katastrophen – schwerwiegende Ereignisse wie diese erschüttern das seelische Gleichgewicht. Auch Trennung vom Partner, Arbeitsplatzverlust, finanzieller Verlust oder Entwurzelung im Falle von Flucht oder bei Gastarbeit bedeuten gravierende Veränderungen im Leben. Es zeigen sich Merkmale wie ein anfänglicher Schockzustand über Stunden bis Tage hinweg. Verzweiflungsausbrüche, Trauer, Zorn und Aggression oder auch plötzlich auftretende Antriebslosigkeit und Desinteresse.
Schockzustände dauern einige Stunden bis Tage.

Oft entwickeln Krisen sich aber über einen längeren Zeitraum. Unterschiedliche Belastungen führen allmählich zu einer Überforderung. Sozialer Rückzug ist zumeist die Folge. Außenstehende können diese Form der krisenhaften Entwicklung oft nicht so deutlich erkennen. Die Betroffenen vermeiden Kontakte oder brechen sie ab und geraten so in immer größere Einsamkeit und Isolation. Dann genügt manchmal ein geringfügiger Auslöser und die Krise wird akut.
Krisen können auch über einen längeren Zeitraum entstehen.

Verschaffen Sie sich Klarheit

Um Klarheit zu erhalten, ob sich ein anderer Mensch in einer Krise befindet oder nicht, gilt es, auf den Betreffenden zuzugehen. Fragen Sie, wie es ihm/ihr geht und fragen Sie auch, ob Hilfe benötigt wird! Reden hilft. Sie sollten dabei den anderen reden lassen, ohne vorschnelle Lösungen anzubieten.

Zum Erkennen einer Krise gehen Sie auch davon aus, dass jene Situationen, die für Sie selbst keinerlei Belastung und Bedrohung darstellen würden, für einen anderen Menschen schwerwiegend und konflikthaft sein können. Denn die Schwere einer Situation kann nicht objektiv beurteilt werden, vielmehr kommt es darauf an, wie der einzelne Mensch eine Situation erlebt. Worauf ein Betroffener angewiesen ist: Verständnis vom Gegenüber – dies ermöglicht es ihm/ihr, sich zu öffnen und sich mitzuteilen!
Erst Verständnis ermöglicht Betroffenen, sich mitzuteilen.

Krisen sind Teil unseres Lebens. Die Bewältigung von Herausforderungen wie zum Beispiel Schulbeginn, Heirat, Geburt eines Kindes, aber eben auch von schwerwiegenden Ereignissen wie beispielsweise Todesfall oder Trennung gehört zum Entwicklungsprozess und zur Reifung des Menschen. Denn Krisen bedeuten Wendepunkte im Leben, die eine Veränderung und Neuorientierung möglich machen. Neue Lebensziele können entstehen.
Krisen sind Wendepunkte im Leben, die Veränderung und Neuorientierung mit sich bringen.

Anzeichen bei seelischen Krisenzuständen:
• Rückzug
• Antriebslosigkeit
• In sich gekehrt sein: Menschen gehen nicht mehr auf andere Personen ein, werden ruhig, wirken desinteressiert, vielleicht verschroben
• Innere Kämpfe können sichtbar werden
• Gereizt aggressives Verhalten
• Unangenehme, unerklärliche Verhaltensweisen
• Gedanken, die nicht nachempfunden werden können, oder auch Gefühle, die fremd oder verkehrt wirken

Merkregeln bei psychischen Krisen

In Krisenfällen ist es nicht zielführend, zu argumentieren oder mit dem Betroffenen Justamentstandpunkte zu verfolgen. Nehmen Sie den anderen ernst, so wie er ist, und verzichten Sie auf Schreien und Hektik. Lassen Sie sich auch auf keine inhaltliche Diskussion mit Menschen ein, die absonderliche Ideen haben. Versuchen Sie nicht, jemandem wahnhafte Gedanken auszureden. Beschränken Sie sich lieber auf aktives Zuhören. Seien Sie eindeutig und klar, lassen Sie sich nicht irritieren und versuchen Sie, den anderen zu verstehen. Klare, prägnante und konkrete Kommunikation wird Ihnen helfen, sich verständlich zu machen. Dabei ist es wichtig, die persönliche Sphäre des Betroffenen zu respektieren.
Führen Sie keine inhaltliche Diskussion mit Personen, wenn sie absonderliche Ideen haben.

Professionelle Hilfe organisieren!

Für alle Krisen sollte man beachten: Hinweise auf Selbstmordabsicht und besonders Suizidäußerungen durch die Betroffenen selber sind in jedem Fall ernst zu nehmen! Organisieren Sie in kritischen Situationen professionelle Hilfe über den Psychosozialen Notdienst OÖ. oder das Kriseninterventionszentrum von pro mente OÖ. (Telefonnummern siehe Rückseite der Broschüre). Denn Helfen bedeutet nicht, für alles und jedes die Verantwortung zu übernehmen und alleine zu tragen. Wenn Sie sich selber unsicher oder auch überfordert fühlen, geben professionelle Helfer Rat und können weitere Schritte setzen.
Nehmen Sie Suizidäußerungen sehr ernst!

Informationsbroschüren für Patienten und Angehörige gibt es zu folgenden Themen:
• Depression
• Angst- und Panikerkrankungen
• Altersdepression
• Zwangserkrankungen
• Burnout
• Langzeittherapie von Depressionen

Diese Broschüren können Sie kostenlos bei Lundbeck Arzneimittel GmbH, Frau Andrea Wiedmann, Tel: 01/331 07-34 bestellen.

Adressen

Kriseninterventionszentrum
Therapeutisches Zentrum für Menschen in psychischen Krisen, Hessenplatz 9, 4020 Linz, Tel.: (0732) 21 77
Öffnungszeiten: MO – FR, 8.00 – 19.00 Uhr persönlich und telefonisch (nachts, an Wochenenden und Feiertagen wird an den Psychosozialen Notdienst Oberösterreich verwiesen)

Psychosozialer Notdienst Oberösterreich
Notruf bei psychischen Krisen, Figulystraße 32, 4020 Linz, Tel.: (0732) 65 10 15. Rund um die Uhr telefonische Soforthilfe und mobile Krisenintervention bei kritischen psychischen und sozialen Problemen.